„Ghost Artists“ auf Spotify: Schuld sind diejenigen, die die Geister riefen!
Zu Beginn meiner Zeit als freier (Musik-)Journalist ab Anfang 20 war das Radio 13 Jahre lang mein Lieblingsmedium, und ich bin immer noch Fan. Heute freue ich mich darüber, dass der gute alte Rundfunk durch Podcasts auch Leute erreicht, die (wie größtenteils auch ich) kaum mehr lineare Medien konsumieren.
Gleichwohl nervt mich die „Podcastisierung“ journalistischer Formate. Dazu gehört für mich der Versuch, sich mit einer Flut von Anglizismen bei einem jüngeren Publikum anzubiedern („strange“, „cringe“, „what?“). Strafverschärfend wird das gern mit dem „Presenter-Format“ gekoppelt, dem eitel-banalen „Ich-Journalismus“, bei dem man Reporter/-innen gefühlt minutenlang dabei zuhört oder -schaut, wie sie durch Straßen stapfen, an Türen klingeln und keine Antworten erhalten.
„Geisterjagd – Das Spotify-Geheimnis“ ist ein besonders frustrierendes Beispiel dafür, weil das Thema so unerheblich ist. Geschlagene drei Folgen lang (anderthalb Stunden!) regen sich Janne Knödler und André Dér-Hörmeyer darüber auf, dass es bei Spotify „Ghost Artists“ (Geistermusiker/-innen) gibt. Dahinter stecken Künstler/-innen, die unter unzähligen Pseudonymen und ebenso zahlreichen Fake-Profilen „Musik“ verbreiten, die nicht auffallen soll. Und gern in Playlists für Leute landet, die beim BR-Manuskripte-Schreiben, beim Chillen, beim Sex oder dem manchmal anschließenden Gebären eine dahinplätschernde Geräuschkulisse wünschen, die nicht stört.
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„Alles gesagt?“-Podcast: Der junge alte (Bier-)Mann
Ich bin überrascht, dass ich mir die vollen 7 Stunden 41 Minuten des ZEIT-ONLINE-Podcasts „Alles gesagt?“ mit Wolf Biermann, Christoph Amend und Jochen Wegner angehört habe: Biermanns Schaffenswerk bedeutet mir wenig, obwohl ich über meine Mutter schon früh eingeführt wurde. Und im Podcast nervten mich immer wieder sein theatralisch-keifendes Gebrüll, seine Verliebtheit in die eigenen Formulierungen und die demonstrativ bescheidene Präsentation seiner Hellsichtigkeit.
Dennoch habe ich durchgehalten, da er aus meiner Sicht in seinem so gut wie unmoderierbaren Wortschwall sehr viele kluge Sachen sagte und mit seinen ausschweifenden und am Ende trotzdem oft pointierten Erzählungen das ist, was in den Zeiten, als ich während meiner USA-Aufenthalte intensiv Late-Night-Talk-TV verfolgte, als „Raconteur“ bekannt war. (Zu meinen Favoriten gehörten damals Peter O’Toole und Jonathan Winters, bei denen allerdings Biermanns politische Dimension fehlte.)
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Jing Jing in Hamburg: Toller Thai, aber nicht für mich
Jing Jing
Waterloohain 7
22769 Hamburg
Keine Telefonnummer, Reservierung nur online möglich
Am vergangenen Mittwoch waren wir mit der Qype City Night Hamburg (eine für alle offene Genießergruppe, die im Monatstakt neue Restaurants ausprobiert, aber auch immer mal wieder bei alten Bekannten einkehrt) im hochgehypten Jing Jing. Übereinstimmender Eindruck, bevor Getränke und Speisen kamen: Der Laden ist perfekt für Leute, die sich nicht viel zu sagen haben. Wegen der lauten Musik konnte man oft nicht mal die direkten Sitznachbar/-innen ohne Brüllen verstehen.
Das Essen war klasse (und „authentischer“ als üblich, soweit ich das ohne eigenen Thailandbesuch beurteilen kann), aber die kleinen Portionen hatten sehr ambitionierte Preise. So kosten drei Chicken Wings 12,90 Euro, Larb Dip Nua (Rindertartar) als Vorspeise 15,90 Euro. Auf dem Foto seht ihr die Hauptspeise Pad Krapao Gai (Bangkok, 17,90 Euro): gebratene gehackte Hühnerkeule, Heiliges Basilikum, Chili, Knoblauch, Spiegelei.
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Eine Feier für Berthold aus Barmbek
Executive Summary: Wer heute Abend in Hamburg Zeit für und Lust auf ein großartigea Musikevent hat, sollte sich noch schnell ein Ticket für die Laieszhalle sichern.
Jetzt zu den Details: In meinem früheren Leben als Musikjournalist habe ich in Europa und den USA unzählige Weltstar-Konzerte erlebt. Aber kaum eines hat mich so sehr begeistert und gerührt wie der gestrige Abend in der Laeiszhalle anlässlich des 100. Geburtstags von Bert Kaempfert.
Yoko Ono zum 90.: Unser Interview im Dakota Building – Zeitreise in die ‘80er
Damaliger Vorspann: Mit Beschimpfungen hat Yoko Ono zu leben gelernt. Wurde ihr früher die Trennung der Beatles in die Schuhe geschoben, so wirft man ihr heute vor, die Verwaltung von Lennons musikalischem Erbe mit eigenen Interessen zu verknüpfen. Selbst ihre ärgsten Feinde aber werden kaum leugnen, dass die 52jährige Japanerin eine ungewöhnliche Frau und faszinierende Gesprächspartnerin ist. Peter Jebsen, der Yoko Ono im berühmten Dakota Building in New York besuchte, kann das nur bestätigen.
PJ: Die LP EVERY MAN HAS A WOMAN stellt Songs vor, die zwar von dir geschrieben, aber von anderen Musikern interpretiert wurden. Warum?Yoko Ono: Das Projekt hatte sich ursprünglich John ausgedacht: er wollte mir die LP zu meinem 50. Geburtstag schenken. Ihn hat es immer furchtbar frustriert, dass die Medien mich so abschätzig behandelten und nicht mein wahres Ich zeigten.
Selbst die Fotos, die man auswählte, waren – nur um mich abstoßend zu machen – immer von einem ungünstigen Winkel aus aufgenommen. Insofern sollte die LP das fortführen, was John begonnen hatte.
Wollte John damit gleichzeitig auch die Songwriterin Yoko Ono einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen?
Ja… während unserer gesamten Beziehung hat mir John ständig gesagt, dass die Leute aufgrund ihrer Animosität mir gegenüber nie meine Songs hören würden: Sie sähen primär in mir die unerwünschte Person.
Wenn ich also von anderen Musikern meine Stücke interpretieren ließe, dann werde die Welt anerkennen, wie gut sie seien. Das hat John mir wieder und wieder gesagt.
Er hoffte vermutlich, zu meinem 50. Geburtstag werde die Welt mir vergeben; und dass es problemlos für ihn sei, kompetente Musiker für dieses Projekt zusammenzutrommeln.
Für was soll oder sollte die Welt dir vergeben?
Ich weiß – für was sollte die Welt mir vergeben? Das frage ich mich auch oft. Ich will nun mal nicht ständig in einer Position stecken, in der ich mich mit dem Rücken zur Wand verteidigen muss.
Es dreht sich doch darum, dass ich mit einem überdimensionalen Helden der westlichen Welt zusammengelebt habe. Viele Außenstehende meinen ja immer noch, ich hätte die Beatles auseinandergebrochen; dafür wurde ich zehn Jahre lang angegriffen. Stellt man mir heutzutage diese Frage, muss ich einfach nur lachen: Ich bin dagegen mittlerweile immun.
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„Spur des Blutes“ (WDR): Ein „Tatort“ zum Fremdschämen
Die jüngste Episode „Spur des Blutes“ bestätigte mich darin, bei allen „Tatorten“ außer Wien (Bibi Fellner rules!) zur Vermeidung von Zeitverschwendung negative Vorabkritiken wirklich ernst zu nehmen. Gestern Abend: A) papierne Dialoge, die vor allem in meiner früheren Wahlheimat Köln *niemand* so aufsagen würde; B) abstrus-unglaubwürdige Handlungsdetails, die immer wieder für unfreiwillige Heiterkeit sorgten; und C) unfassbar plumpes Knallchargentum, das durch A) neue Tiefpunkte in der „Tatort“-Geschichte schuf (Leo Mornar als Theresa Krohn: „Meine Tochter war eine billige Straßennutte.“). C) verblüffte mich umso mehr, als es bei der Besetzung auch einen überraschenden Glücksgriff gab: in Person des wunderbaren Josef Hader.
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Osteria La Botte: Italienisch schlemmen in Bahrenfeld
Bahrenfelder Steindamm 109 B
22761 Hamburg
Telefon: (040) 76481777
osteria-la-botte-hamburg.eatbu.com
Es macht Spaß, außerhalb meiner Wohnungs- und Arbeitskieze Nachbarschaftsrestaurants zu entdecken, die von der ersten Minute an sympathisch wirken und bei denen das Essen den spontanen positiven Eindruck noch übertrifft.
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Manfred Krug: Misanthrop, Pingelkopp und Sensibelchen
Irgendwie hatte das verdammte Virus auf mich den Effekt, dass es bei mir auch ohne eigene Infektion den Schreibdruck hemmte. Aber langsam wird es Zeit, dieses Blog mal wieder zu reaktivieren – bevor es sich endgültig in die Menge der Internet-Leichen einreiht.
Auslöser ist ein tolles Hörbuch, das ich kürzlich auf Facebook empfahl: Manfred Krugs „Ich sammle mein Leben zusammen: Tagebücher 1996 – 1997“, auf das ich durch Olli Schulz und den durch ihn im „Fest & Flauschig“-Podcast angefixten Jan Böhmermann aufmerksam wurde. Beide (und dann auch ich) beömmelten sich darüber, wie Krug mit ein paar knappen, brillant formulierten Sätzen frühere Kolleg/-innen und die Menschheit als solche verbal vernichtete.