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Tolle Ella-Fitzgerald-Doku: „Just One of Those Things“ (#FFHH19)

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Eines meiner persönlichen Highlights des diesjährigen Filmfests Hamburg war die wunderbare Doku „Ella Fitzgerald: Just One of Those Things“ (Offizielle Website).

Ich muss gestehen, dass ich mit dem Schaffenswerk der Dame selbst als Ex-Musikjournalist nicht wirklich vertraut war. Mir war sie vor allem durch ihren Kurz-Scat im Song „Birdland“ auf dem grandiosen Quincy-Jones-Album „Back on the Block“ intensiver aufgefallen:


Neben ihr sind im Song „Jazz Corner of the World/Birdland“ Miles Davis, Dizzy Gillespie, James Moody, Sarah Vaughan und George Benson vertreten, plus (im „Vorspiel“) die Rapper Big Daddy Kane und Kool Moe Dee. (Für Fitzgerald und Vaughan waren es die letzten Studioaufnahmen ihres Lebens.)

Publicity photo of Ella Fitzgerald in 1962 (Photo: Lewin/Kaufman/Schwartz, Public Relations, Beverly Hills / Public Domain / Source: http://bit.ly/EF-62)

Was die öffentliche Aufmerksamkeit anbetraf, flog Ella Fitzgerald irgendwie unter dem Radar. Sie arbeitete zu viel, um Zeit für ein schlagzeilenträchtiges Privatleben zu haben. Und sie hielt sich in Interviews eher bedeckt. Ein Interview, in dem sie sich einmal nicht zurückhielt, wurde nie ausgestrahlt. Die Macher des Films fanden es im New Yorker Paley Center for Media (Museum of Television & Radio). Ella Fitzgerald beklagte sich 1963 im Gespräch mit Fred Robbins über die „erbärmliche“ („pitiful“) Apartheid in den damaligen USA.

Regisseur Leslie Woodhead, ein interessanter Veteran (filmte die Beatles im Cavern Club, bevor sie so hießen), und Produzentin Reggie Nadelson beantworteten am Donnerstag im Hamburger Passage-Kino Publikumsfragen und erwähnten dabei, wie schwierig es gewesen sei, die frühen Jahrzehnte der Film-Story zu bebildern. Mit smart kombinierten Stock-Filmclips und Fotos gelang es ihnen dennoch zu zeigen, wie bemwerkenswert Fitzgeralds Karriere verlief.

Nach einer Zeit als obdachloses Waisenkind gewann sie 1934 im Alter von 17 Jahren beim ersten „Talent Contest“ im Harlemer Apollo Theater mit den Songs „Judy“ und „The Object of My Affection“ den ersten Preis, obwohl sie eigentlich tanzen wollte. Sie sah dann aber vor Ort ein Duo namens Edwards Sisters, das sie so sehr einschüchterte, dass sie umschwenkte. (Danke, Edwards Sisters! 😉 ) Ein Jahr später begann ihre Zusammenarbeit mit Schlagzeuger und Bandleader Chick Webb. In dieser Zeit erzielte sie mit ihrer Version von „A-Tisket, A-Tasket“ einen der größten Pop-Hits des Jahrzehnts.

Als Webb 1939 starb, wurde seine Band in „Ella and Her Famous Orchestra“ umbenannt. Fitzgerald war mit 22 Bandleaderin (in einer Kapelle, mit der Webb sie eigentlich nicht touren lassen wollte, weil er sich nicht vorstellen konnten, wie Tourneen mit „16 horny men“ und einer 18-Jährigen im Tourbus stressfrei funktionieren könnten).

Mitte der 40er-Jahre schwenkte sie zum Bebop um und wurde auch dort zu einer stilprägenden Koryphäe. Das herrlichste Foto des Films zeigt einen anhimmelnden Dizzy Gillespie:

Portrait of Ella Fitzgerald, Dizzy Gillespie, Ray Brown, Milt (Milton) Jackson, and Timmie Rosenkrantz, Downbeat, New York, N.Y., ca. Sept. 1947 (Photo: William P. Gottlieb / Public Domain / Source: https://www.loc.gov/item/gottlieb.02851/)

Portrait of Ella Fitzgerald, Dizzy Gillespie, Ray Brown, Milt (Milton) Jackson, and Timmie Rosenkrantz, Downbeat, New York, N.Y., ca. Sept. 1947 (Photo: William P. Gottlieb / Public Domain / Source: https://www.loc.gov/item/gottlieb.02851/)

1956 überredete ihr Manager Norman Granz sie dazu, ihr erstes von acht „Song-Book“-Alben aufzunehmen („Ella Fitzgerald Sings the Cole Porter Song Book“). Das zementierte ihren Welterfolg.

Aus dieser Zeit stammt eine der lustigsten und musikalisch brillantesten Passagen des Films: In ihrem Berliner Konzert im Jahr 1960 vergaß sie die zweite Strophe von „Mackie Messer“ und improvisierte so vortrefflich, dass es manchem Zuhörer gar nicht aufgefallen sein mag. AllMusic beschreibt es so:

Her Berlin concert is most remembered for her hilariously inventive version of „Mack the Knife,“ during which she forgot the words and substituted ones of her own that somehow fit, amazing herself in the process.

Heimlicher Star von „Just One of Those Things“ ist für mich die 98-jährige Ex-Tänzerin Norma Miller, die Fitzgeralds Gesangsdebüt im Apollo Theater erlebte. Und so beschreibt:

It was so quiet you could hear a rat piss on cotton.

Ihre launigen Kommentare gehören zu den Höhepunkten des Films.

Die „Amateur Night at the Apollo“ habe ich bei ihrer Renaissance in den ’80ern miterlebt und fürs NDR-Radio in einem einstündigen Special dokumentiert. Ich durfte damals meinen Walkman Professional ans Hausmischpult anschließen und habe u. a. auch das Haus-Faktotum Sandman Sims interviewt. Der zog durchgefallene Möchtegerntalente notfalls mit einem Besen von der Bühne.

Deswegen fand ich das Ende der Doku sehr passend: Die 16-jährige Alexis Morrast singt auf derselben Bühne a cappella “A Tisket, A Tasket”. Und zeigt damit, dass das „Great American Songbook“ auch für manche heutige US-Teens noch eine Herausforderung darstellt. Hier ihre Interpretation von „My Funny Valentine“:

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